musikalische Aufführungspraxis

musikalische Aufführungspraxis
musikalische Aufführungspraxis,
 
allgemein die Art und Weise, wie ein vom Komponisten festgelegter Notentext durch den Interpreten klanglich realisiert wird, im Besonderen die Erforschung und Rekonstruktion der Aufführungsformen älterer Musikwerke in der Epoche ihrer Entstehung (historische Aufführungspraxis). Bis ins 18. Jahrhundert war die das Klangbild fixierende Notenschrift relativ offen, und es gab keine verbindliche Form der Wiedergabe, wie überhaupt die allgemeine Vorstellung von historischer Authentizität einer Aufführung den Zeitgenossen fremd war. Viele Momente des tatsächlich Erklingenden wurden nicht aufgezeichnet, sondern vom Spieler oder Sänger improvisatorisch ergänzt, und die Besetzung beziehungsweise Wahl der Instrumente richtete sich nach den gerade verfügbaren, in der Regel spärlichen Mitteln. Erst im 19. Jahrhundert gewannen Fragen der musikalischen Aufführungspraxis, entsprechend dem wachsenden subjektiven Ausdrucksgehalt klassischer und romantischer Musik, an Bedeutung, und die nachschöpferische Wiedergabe musikalischer Werke durch den Interpreten wurde zu einer das Musikleben zunehmend beherrschenden Aufgabe, während parallel Fähigkeiten der Stegreifausführung und Improvisation an Stellenwert verloren. In der Musik des 20. Jahrhunderts hat die eigenschöpferische Interpretation von Musik, bedingt u. a. durch freiere Kompositions- und Aufzeichnungsformen (z. B. Aleatorik, musikalische Grafik), wieder an Bedeutung gewonnen.
 
Schwerpunkte der Erforschung der musikalischen Aufführungspraxis beziehen sich v. a. auf Bau- und Spielweise der Instrumente, Einsatz, Zusammensetzung und Größe instrumentaler und vokaler Ensembles, Fragen der Temperatur und Tonhöhe (Stimmton, Kammerton, Chorton) und der Verzierkunst sowie auf das hinsichtlich der historischen Rekonstruktion besonders problematische Gebiet von Takt, Tempo und Rhythmus.
 
 
Aspekte der musikal. Interpretation, hg. v. H. Danuser u. a. (1980);
 F. Klausmeier: Musikal. Interpretation (Wien 1980);
 J. Mertin: Alte Musik. Wege zur Aufführungspraxis (ebd. 21986);
 Jürgen Meyer: Akustik u. m. A. (31995);
 P. Reidemeister: Histor. Aufführungspraxis. Eine Einf. (21996);
 G. Frotscher: Aufführungspraxis alter Musik (81997).

Universal-Lexikon. 2012.

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